Island ist für seine Gletscher und Geysire bekannt, für heiße Quellen und schöne Landschaften. Aber auch für sein unberechenbares Wetter – Regen und Sonne können stündlich wechseln. Und der fast niemals enden wollende Wind sowie plötzliche Schneestürme (auch im Sommer) haben schon so manchen Touristen verzweifeln lassen. Die falsche Destination für eine Fahrradtour? Weit gefehlt! Die knapp 1400 km lange Ringstraße führt einmal rund um das Land – und lädt jedes Jahr viele Radlfreaks ein, sie zu bezwingen. So auch Tanja Ney, die sich 2016 auf den Weg machte. Was sie zu berichten hat? Lest selbst!
Liebe Tanja, einmal um die Ringstraße – wie bist du denn darauf gekommen?
Ich war bereits zweimal zuvor in Island. Einmal mit dem Klassiker: Mietauto rundrum. Da haben wir allerdings die Westfjorde aus Zeitgründen ausgelassen und dachten: Okay, dann kommen wir dafür nochmal wieder. Dann haben wir auf der Polarfuchsstation in den Westfjorden gearbeitet für einen Monat und auch immer mal Radfahrer dort gesehen. Das hat mich fasziniert. Und irgendwann ist mir der Satz: „Ich komme wieder, mit dem Fahrrad“ rausgerutscht. Und wer mich kennt weiß…wenn sowas einmal gedacht und gesagt wurde…
Wie hast du dich vorbereitet?
Ich habe mir vor allen Dingen erstmal alles an Equipment gekauft, denn ich hatte nichts was zum Radreisen gehört. Der Rest der Ausstattung war da, weil ich viel Outdoor mache und gemacht habe bislang. Aber mir fehlte vom Rad bis zu den Klamotten fürs Rad wirklich alles. Ansonsten habe ich mir die Cycling Map aus Island bestellt und mich ein wenig eingelesen. Für mich stand aber schon recht schnell fest, dass es zu viel Meinung zum Reisethema gibt und wirklich jeder für sich selbst schauen muss, was passt. Habe mich ein wenig inspirieren lassen, aber am Ende doch eher mein eigenes Ding gefunden. Und darüber hinaus natürlich: Training. Ich bin viel Indoor gefahren, weil ich im Spinning / Indoorcycling sehr aktiv bin und auch sonst bin ich sehr regelmäßig im Gym anzutreffen. Das hat mich körperlich megagut vorbereitet.
Worauf hast du dich bei der Ausstattung (Fahrrad, Equipment) konzentriert?
Da ich Island schon kannte, war mir klar, dass das Wetter eine entscheidende Rolle spielen würde und zum Beispiel Wind dann auch wirklich Wind ist und kein Lüftchen. Demnach musste alles ziemlich robust sein und wetterfest. Für mich persönlich ist es zum Beispiel wichtiger ein sturmfestes Zelt zu haben, in das ich mich auch mal nen ganzen Tag zurückziehen kann, um das Wetter abzuwarten, als ein ultraleichtes, aber anfälligeres Ein-Mann-Zelt, das ein paar hundert Gramm Gewicht spart. In Sachen Fahrrad habe ich einen Randonneur ausgewählt, der mir durch den Lenker mehr Positionen, eben auch bei Gegenwind, ermöglicht und viele Befestigungsmöglichkeiten für Taschen hat. Letztere natürlich wasserfest. Kein Rucksack oder sowas und auch die Klamotten nicht unbedingt sexy, aber funktional 😉
Wie war das Gefühl, als du endlich losgefahren bist?
Ihr werdet lachen: Anfangs habe ich noch unendlich lange in Reykjavik auf dem Campsite rumgelungert und bin einfach nicht losgekommen. Eine schräge Mischung zwischen Abenteuerlust, Neugier, Respekt und auch Müdigkeit – da ich meine ganze Logistik allein regeln musste. Als mich der Shuttlebus vom Airport mit meinem viel zu großen Radkarton und meinen fünf Taschen am Campsite ausgespuckt hat, stand ich dort ziemlich einsam und verlassen und dachte nur: „Ich bin also die, die dieses Land nun mit dem Rad umrunden wird. Aha…“
Die Idee, die ich von mir und dem Projekt hatte, war da noch meilenwert entfernt von der Wirklichkeit. Und da ich ja auch relativ öffentlich bin, hatte ich mich natürlich auch im Vorfeld weit aus dem Fenster gelehnt. Das war schon ein seltsames Gefühl. Als ich dann aber endlich die ersten Kilometer und Campsites hinter mir hatte, kamen die Routinen und ich hatte irgendwann auch mein eigenes Tempo gefunden. Dann liefs und ich hatte die bis dato beste Zeit meines jungen Radlebens.
Gab es einen Moment, an dem du an deine Grenzen gekommen bist?
Ja, den gab es. Sicher nicht nur einmal. Aber relativ zu Anfang habe ich tatsächlich auch über Umkehren nachgedacht. Ich bin trotz Warnung der Isländer an diesem Tag losgefahren und in einen Sturm geraten. Konnte mein Rad teilweise nicht mehr auf der Straße halten und irgendwann verließen mich meine Kräfte. Als dann noch der anvisierte Campsite geschlossen und ich komplett durchgefroren war, der nächste Campsite ca. 20km weiter, war Ende. Ich hab mich dann entschieden, das Unmögliche zu versuchen und auf ein Auto gehofft als Mitfahrgelegenheit. Und tatsächlich haben zwei junge Französinnen für mich gedreht, ihren Wagen leergeräumt und mich samt Rad und Equipment zum nächsten Hostel gefahren. Dort habe ich meine einzige Nacht in einem richtigen Bett mit Heizung und Dusche verbracht und auch mal meinen Stuff vernünftig gewaschen und getrocknet. Nach einer guten Nacht dort sah die Welt am Tag auch wieder ganz anders aus und ich bin weitergefahren. Danach habe ich nie wieder ans Umdrehen gedacht.
Dein Fazit der Tour?
Ich würds immer wieder machen und habe sogar schon mal darüber nachgedacht einfach andersrum zu fahren. Oder mal mit dem Renner oder oder… Faszinierendes Land mit so tollen Menschen und so viel Weite. Hab mich so frei gefühlt wie noch nie. Allein auch dadurch, dass ich nur ein One-Way-Ticket hatte. Zeit und mein eigenes Tempo war mir wichtig. Und ja, ich würds auch wieder solo machen. Beste Entscheidung, weil man viel über sich selbst lernt.
Welchen Rat würdest du Menschen auf den Weg geben, die eine ähnliche Tour vorhaben?
Einfach mal machen. Könnte gut werden. Just that simple… Nein, im Ernst: Es gab so viele Menschen, die nur die möglichen Probleme gesehen haben. Weil ich noch nie mit Rad gereist bin. Weil mir der Hintern wehtun wird. Weil mir etwas passieren könnte und mich dann niemand finden würde. Weil…. Wichtig ist es meiner Meinung nach, dass man seinen Impulsen folgt. Wenn in mir eine leise Stimme sagt: Mach das! Dann ist das ja eine tiefe Sehnsucht, die aus irgendwelchen Gründen gerade lauter wird. Desto überzeugter ich selbst dann davon bin und meine Wünsche ernstnehme, umso selbstbewusster kann ich auch mit den Bedenken anderer umgehen. Letztlich muss man Dinge einfach mal machen, um zu sehen was gut, was nicht so gut war. Daher auch mein Tipp: Nicht zu sehr auf die Meinung anderer hören. Die eigene Erfahrung ist das wichtigste, was du machen kannst. Und was mein wichtigster Gedanke war: Was soll schon schief gehen, ich hab mich ja schließlich immer dabei und werde schon die für mich besten Entscheidungen treffen.
Also, ich bleibe dabei: Einfach mal machen – könnte gut werden! 🙂
// Bilder: Tanja Ney
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