Sonne von Norden, Bleik auf Andøya / Versterålen
Pünktlich um 19 Uhr erreicht unser Postschiff die Ortschaft Stamsund auf den Lofoten. Am Mittag hatten wir am Flughafen in Bodø / Norwegen unser Fahrrad bepackt und waren die ersten 3 km unserer Radreise zum Anleger der Hurtigruten gefahren – und nun machen wir nach vier Stunden Fährfahrt auf den Lofoten fest. Der kleine Hafen ist nur von einigen wenigen Häusern umstellt. Der ganze Ort zählt etwa 1.000 Einwohner.
Kaum radeln wir hinter der Siedlung um die nächste Kurve, sind wir völlig alleine. Die großartige Landschaft der Lofoten umgibt uns. Links die steilen Bergflanken. Rechts das Meer. Dazwischen windet sich die kleine Straße. Das Gefühl von Freiheit ist unbeschreiblich. Es ist der 15. Juni – die Sonne wird in den nächsten Wochen nicht untergehen. Unser erstes Quartier ist eine kleine Holzhütte auf einem Campingplatz mit Blick auf den Fjord. Wir essen Hering in Senfsauce, trinken das erste Arctic Beer und gehen viel zu spät ins Bett. Noch haben wir kein Gefühl dafür entwickelt, wann wir schlafen gehen sollten.
Bereits am nächsten Tag fahren wir 85 km über die Lofoten. Die einzelnen Inseln sind über Brücken miteinander verbunden, sodass wir ohne Probleme von Ort zu Ort ziehen können. Die Landschaft, eine Mischung aus steil aufragenden Bergen und kleinen Fjorden, ist fast zu schade, um nur daran vorbeizufahren.
Kleine Kaffeepausen zwischendurch
Kabelvåg / Lofoten
Wir freuen uns auf ein kleines Café, das schon 15 km vorher ausgeschildert ist. „Cafe Rebecca“ hat einen tollen Blick über den Fjord, ist aber nur donnerstags geöffnet. Heute ist leider Samstag. Im weiteren Verlauf unserer Reise nehmen wir uns vor, in jedem geöffneten Café kurz einzukehren. Noch häufiger stehen wir aber vor geschlossenen Türen oder kommen nirgends vorbei. Die Kaffeekultur der Norweger findet im Eingangsbereich der kleinen Lebensmittelläden statt. Dort zapft man sich für kleines Geld den Filterkaffee aus der bereitstehenden Thermoskanne. Cafés, wie wir sie kennen, sind im Norden extrem selten.
Mit Fähren setzen wir auf die Vesterålen über und später dann nach Senja. Die Inseln wetteifern mit ihrem nordischen Charme. Wir können uns kaum entscheiden, wo wir es am schönsten finden. In den nächsten Tagen finden wir überall malerische Küsten, kleine Orte, eindrucksvolle Fjorde und verkehrsarme, gut asphaltierte Straßen.
Die norwegische Küste ist nichts für Sonnenanbeter und Strandurlauber. Aber mit guter Regenkleidung in den Packtaschen und der gesunden Einstellung, dass Wetter zu dieser Landschaft gehört, sind wir überrascht, so gute Bedingungen zum Radfahren anzutreffen. Die Sonne scheint oft, die Temperatur ist moderat und trotzdem kommen auch Shorts und T-Shirt zum Einsatz.
Mitternachtssonne genießen
Einer unserer schönsten Übernachtungsplätze ist die Hütte auf dem Campingplatz „Midnattsol“ in Bleik auf Andøya. Der Wetterbericht verspricht Mitternachtssonne. Nach dem Abendessen um 22 Uhr locken uns die 400 m hohen Berge, die hinter dem Ort in der Abendsonne leuchten. Warum also nicht den endlosen Tag nutzen und noch einen Berg besteigen? Es ist fast ein Uhr, als wir zurückkommen. Die Sonne steht flach über dem Meer. Während das Auge sich nicht sattsehen kann, mahnt der Kopf zum Schlafengehen.
Nur wenige Anstiege bremsen uns aus. Mit 600 bis 800 Höhenmetern auf Tagesetappen zwischen 60 und 90 km sind die Steigungen gut zu schaffen. Die Tunnel auf der Inselroute sind allesamt für Radfahrer zugelassen. Manchmal müssen wir einen großen Taster drücken, damit ein Warnzeichen den Autofahrern signalisiert, dass Radfahrer unterwegs sind. Trotz fehlender Nacht sind wir froh, dass unser Tandem über eine gute Lichtanlage verfügt. Denn nicht jeder Tunnel ist beleuchtet.
Auf dem Weg nach Tromsø machen wir einen kleinen Abstecher nach Sommarøy, wo wir in der ehemaligen Fischfabrik übernachten. Die Insel auf einigen von der Eiszeit abgeschliffenen Felsen ist eine Idylle. Von dort sind es nur noch 60 km bis zur arktischen „Großstadt“ Tromsø. Mit ihren 76.000 Einwohnern, der Eismeerkathedrale, einer Universität und der nördlichsten Brauerei der Welt ist sie einen Besuch wert und der Schlusspunkt unserer ersten Norwegen-Radreise. Wir sind so angefixt, dass wir in der Folge in mehreren Urlauben die gesamte norwegische Küste mit unserem Tandem abfahren werden.
23:00 Uhr in der Nähe von Forfjord auf Møysalen / Vesterålen
Küstenstraße auf Langøya, Versterålen
Hafeneinfahrt in Gryllefjord auf Senja
Infos Radreise Lofoten – Vesterålen – Senja – Tromsø
Anreise: Bodø wird mehrfach täglich von verschiedenen Fluglinien ab Oslo angeflogen. Von dort erreicht man die Lofoten entweder mit dem Schiff Bodø – Moskenes https://www.torghatten-nord.no oder dem Hurtigruten-Schiff nach Stamsund https://www.hurtigruten.de
Route: Die Route ist relativ leicht zu finden und entspricht in weiten Teilen dem Eurovelo 1. Wir haben folgende Fähren benutzt:
Fiskebøl (Lofoten) – Melbu (Vesterålen)
Andenes (Vesterålen) – Gryllefjord (Senja)
Botnhamn (Senja) – Brensholmen (Kvaløya)
Nach unserer Erfahrung fahren die meisten Camper und Busse von den Lofoten aus übers Festland gen Norden. Damit ist die Inselroute zum Fahrradfahren ideal. Die Route verläuft weitgehend entlang der Fjorde. Trotzdem muss man immer wieder über einen Pass von einem Fjord in den nächsten wechseln. Die Passhöhe liegt in der Regel unter 200 m.ü.NN. Wer die Erfahrung gemacht hat, dass man in kleinem Gang auch mit Gepäck alles hochkommt, was unter 10 % Steigung hat, wird mit den Anstiegen gut zurechtkommen. Unser GPS zählte in der Regel zwischen 700 und 1.000 Höhenmeter auf 100 km Strecke. Die Gesamtstrecke ist ca. 600 km lang.
Übernachtungen:
Wir haben in kleinen Hotels, Hütten, auf dem Campingplatz und in Privatquartieren übernachtet. Auf den gängigen Sharing- und Buchungsportalen findet man gute Angebote. Das norwegische Jedermannsrecht erlaubt aber auch das freie Zelten in der Landschaft (mit wenigen Einschränkungen). Wir haben viele Radfahrer getroffen, die mit dem Zelt unterwegs waren.
Unser Fahrrad:
Wir waren mit unserem Reisetandem der Marke Schauff unterwegs. Es ist für uns das beste Bike, um wirklich gemeinsam unterwegs zu sein. Viele Airlines nehmen das Tandem problemlos mit. Der eingeschränkte Gepäckplatz am Tandem zwingt zum disziplinierten Packen, was sich auf den Steigungen positiv bemerkbar macht. // Bilder: Steffen@bikefolks
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